Rinder für Klimaschutz? Achtung Greenwashing!

–Eine ausführlichere Version dieses Artikels gibt es hier ab S. 33—

„Mit Rindern das Klima retten“? Das ist Greenwashing pur. Weidehaltung kann zwar Emissionen verringern und Kohlenstoff im Boden einlagern, aber in Bilanz ist Rinderhaltung immer schädlich fürs Klima.

Der Mythos von der klimafreundlichen Weidehaltung wird immer beliebter – kein Wunder, denn er kommt natürlich all denjenigen sehr gelegen, die weiterhin ungestört Steak und Käse futtern oder mit der Erzeugung derselben Geld verdienen wollen. Von dem Mythos profitiert am Ende die ganze Tierindustrie.

In Deutschland beziehen sich viele auf das Buch „Die Kuh ist kein Klima-Killer“ von Anita Idel. International ist das Zauberwort „regenerative grazing“. Die Heilsversprechen lassen sich aber wissenschaftlich nicht rechtfertigen.

Die Metastudie „Grazed and Confused“ kommt zum Schluss: Die Datenlage zur Einlagerung von Kohlenstoff ist uneinheitlich und widersprüchlich. Wenn es funktioniert, kann es höchstens einen Teil der Klimaemissionen der Rinderhaltung ausgleichen.

Ähnliches ergibt eine kürzlich erschienene Studie vom Umweltbundesamt: Treibhausgase können höchstens reduziert, nicht ausgeglichen werden.
Hinzu kommt, dass bei Renaturierung oft deutlich mehr Einlagerung möglich wäre.

Dagegen wird von Verfechter*innen mit falschen Zahlen geworben: Der Vorzeigebetrieb White Oak Pastures in den USA z.B. ließ seine eigene Klimabilanz von einer Auftragsfirma ermitteln. Die erste Version der Ergebnisse bescheinigte der Farm 2019 eine negative Klimabilanz: Pro verkauftem Kilo Rindfleisch würde der Betrieb netto Treibhausgase reduzieren. Genau das steht jetzt in zahlreichen Artikeln und Webseiten. Ein Jahr später erschien allerdings eine wissenschaftlich geprüfte Untersuchung: Der Betrieb emittiert netto Treibhausgase.

Auch diese Studie rechnet in mehreren Aspekten die Umweltwirkungen der Farm schön. Trotz der Kritik werben sowohl der Betrieb als auch zahlreiche Institutionen noch immer mit den alten, klar falschen Zahlen der ersten Untersuchung.

Solange die Botschaft stimmt, schaut man nicht so genau hin – dieses Prinzip scheint bei den Verfechter*innen der vermeintlich klimafreundlichen Weidehaltung recht allgemein zu gelten. Und das ist genau das Gefährliche an diesem Greenwashing.

Obwohl die Verfechter*innen des Mythos sehr spezielle Bedingungen aufstellen z.B. für Weidemanagement und Fütterung, sind diese Bedingungen schnell vergessen, wenn es um öffentlichkeitswirksame Kommunikation pro Rinderhaltung geht.

So schreibt z.B. die Tagesschau über einen Milchbetrieb, dort könne man lernen, „warum Kühe keine Klimakiller sind“ und zitiert Idel, obwohl der Betrieb wie praktisch alle anderen Milchbetriebe Getreide zufüttert, was natürlich nicht thematisiert wird.

Auf einer internationalen Karte „regenerativer Betriebe“ kann man sogar Milchbetriebe eintragen lassen, die gar nicht existieren – da kann man sich vorstellen, wie da die „regenerative“ Wirtschaftsweise kontrolliert wird.

In der FB-Gruppe Soil4Climate, die auch zum regenerativen Netzwerk gehört, wird Rindfleisch regelmäßig als umweltfreundlichstes Nahrungsmittel gefeiert. Einige Mitglieder verteidigen sogar die normale Rindfleischproduktion, sofern die Rinder auch mal Gras fressen.

Auf diese Weisen sorgt die Grazing-Bewegung letztlich für ein Greenwashing der gesamten Tierindustrie. Kein Wunder also, dass schon Großkonzerne mit einsteigen. In GB hat sogar McDonald’s ein Regenerative-Grazing-Projekt auf den Weg gebracht.

Von dieser Image-Verbesserung der Tierhaltung profitieren am Ende nicht nur wenige ökologische Betriebe, sondern die ganze Tierindustrie. Denn wenn etwas prinzipiell auch umweltfreundlich hergestellt werden *könnte*, dann fühlt sich das Produkt schon besser an.

Und getreu dem Motto „It’s Not the Cow, it’s the How” der Grazing-Bewegung geht es dann in wichtigen Debatten nur noch um die Art und Weise der Tierhaltung, nicht um den Rückbau der Tierbestände.
Man diskutiert darüber, mit welchen Maßnahmen man Bauern dazu bringen kann, ihre Rinder wieder auf die Weide zu schicken, anstatt darüber, welche Anreize es braucht, damit Bauern mit der Tierhaltung aufhören und wir die Ernährungswende hinbekommen.

Auch wenn kleine Bio/Weidebetriebe nicht die erste Adresse sind, wenn es um den gesellschaftlichen Ausstieg aus der Tierindustrie geht – wegen diesen Greenwashing-Mechanismen ist es so wichtig, den Mythos von der klimafreundlichen Weidehaltung entschieden zurückzuweisen.