Ergibt keinen Sinn: Der Erdüberlastungstag

Krass: Die Idee vom Erdüberlastungstag, von dem gerade wieder alle reden, ergibt eigentlich gar keinen Sinn!

Was bedeutet der Tag? Bei ZDFheute auf Instagram steht z.B.: „Mit dem heutigen 1. August hat die Welt den diesjährigen sogenannten Erdüberlastungstag erreicht. Er gibt an, ab wann die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, die die Erde innerhalb eines Jahres herstellen kann. […] Derzeit verbraucht die Menschheit so viele Ressourcen, dass für deren Bereitstellung 1,75 Erden nötig werden. Besonders hoch ist der ökologische Fußabdruck von Industriestaaten.“

Aber was soll das überhaupt heißen?

Bei Ressourcen denken wir an Land, Nahrung, Rohstoffe für Kleidung, Bauen, etc. – ungefähr solche Dinge, wie sie hier auch von KLIMA.NEUTRAL aufgeführt werden.

Aber wenn wir von solchen Ressourcen jedes Jahr mehr verbrauchen würden, als wiederhergestellt werden können, dann wären die doch schon längst einfach weg,also wir könnten sie gar nicht mehr weiter verbrauchen?!

Tatsächlich geht es gar nicht um solche Ressourcen. Jedenfalls entsteht bei denen nicht die Überlastung. Das sieht man, wenn man in die Datengrundlage schaut.

In der Berechnung des „Global Footprint Network“ wird der „ökologische Fußabdruck“ mit der„Biokapazität“ verglichen. Auf beiden Seiten werden dabei ganz unterschiedliche Daten jeweils in eine Menge an Fläche umgerechnet, um sie vergleichen zu können – also Flächenbedarf vs. verfügbare Fläche. In den ökologischen Fußabdruck geht zwar der Verbrauch von Ressourcen ein, aber zusätzlich geht der Ausstoß von CO2-Emissionen ein und wird umgerechnet in die Menge an Waldflächen, die gebraucht würden, um diese Emissionen aufzunehmen.

Und genau da entsteht die Überlastung:

Es gibt auf der Erde zu wenig Waldfläche, um all das CO2 aufzunehmen, das wir ausstoßen.

Bei den anderen Ressourcen für Nahrung, Kleidung, Bauen etc. gibt es dagegen gar keine Überlastung in dem Sinne, wie es gesagt wird – was sich ja auch darin zeigt, dass wir munter weiter konsumieren.

Die Aussage, dass es zu wenig Wald gibt, um die CO2-Emissionen zu kompensieren, ist aber doch erstens eine komplett andere Aussage als die, die in den Beiträgen zum Thema Erdüberlastungstag verbreitet wird. Zweitens ist das ein seltsames Framing des Klimaproblems, um das es ja eigentlich geht: Es suggeriert, dass es in einem Mismatch von Emissionen und Wäldern besteht. Dabei besteht es ja einfach in den Emissionen selbst. Es ist doch eh klar, dass existierende Wälder die nicht alle aufnehmen können, sonst hätten wir ja gar kein Klimaproblem. Wir lernen eigentlich gar nichts aus diesem Vergleich von hypothetischem Waldbedarf und vorhandenem Wald.

Hinzu kommt noch, dass dieser „Waldbedarf“ sowieso auf ziemlich dubiosen Berechnungen beruht: Dabei wird nämlich ein Durchschnittswert davon zugrundegelegt, was bestimmte Wälder pro Jahr und Hektar an Kohlenstoff aufnehmen. Das ist aber real natürlich je Region, Alter und Art des Waldes etc. total unterschiedlich. Man kann daraus nichts Praktisches ableiten – also z.B. nicht sagen: „Man müsste so und so viel Flächen aufforsten, um die Emissionen zu kompensieren“, denn die Aufnahmerate bei Aufforstung ist eine ganz andere. Man lernt aus dieser komplett hypthetischen Zahl zum „Waldbedarf“ also eigentlich gar nichts und aus dem Vergleich mit der faktischen Waldmenge noch weniger.

Krass, oder?

Obwohl also das Konzept des Erdüberlastungstags so, wie es kommuniziert wird, gar keinen Sinn macht und nicht das aussagt, was damit behauptet wird, steht es in diesen Tagen praktisch überall. Fast niemand macht sich die Mühe, da wirklich mal nachzudenken und nachzulesen. Danke an Stefan von Tierethik & Veganismus, der mich darauf gebracht und es auf Instagram in Stories ausführlich erklärt hat.

Aus all dem folgt natürlich nicht, dass die Erde nicht „überlastet“ wäre – natürlich ist es richtig zu sagen, dass wir gerade so leben, dass wir dabei unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören. Und gerade die Klima-Emissionen sind klarerweise ein zentraler Teil des Problems. Aber das Konzept des „Erdüberlastungstags“ hilft dabei nicht weiter.

Hier einige Links dazu:

Der ZDF hat das Problem erklärt (allerdings spricht er fälschlicherweise davon, es ginge um Aufforstung: https://www.zdf.de/nachrichten/wissen/erdueberlastungstag-deutschland-oekologischer-fussabdruck-100.html

Die Institution, die die Zahlen berechnet und veröffentlicht, präsentiert sich und ihre Methoden hier: https://www.footprintnetwork.org/

Eine gute Kritik an den Berechnungen gibt es hier: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3818165/