Studie: Wie wir über eine andere Landnutzung und Ernährung Treibhausgase binden können

Eine Studie von Wissenschaftler*innen verschiedener Institute, die in Nature Climate Change erschienen ist, hat die Klimaschutzpotentiale des globalen Umgangs mit Land untersucht. Ein Ergebnis: Wenn die Hälfte aller Menschen bis 2050 pflanzenbasiert essen, nur noch halb so viel Essen wegwerfen, wenn die globale Abholzung gestoppt, Moore wiedervernässt und Ökosysteme wiederhergestellt werden – wobei ärmere Ländern Unterstützung benötigen – dann kann die Landwirtschaft netto Treibhausgase verringern und damit 30 % der Reduktionen übernehmen, die insgesamt nötig sind, um das Pariser 1,5-Grad-Ziel zu erfüllen. Das hätte zugleich Vorteile für andere Ziele der nachhaltigen Entwicklung wie Ernährungssicherheit und Gesundheit.

Zur Zeit sind Landnutzung, Landwirtschaft und Ernährung für etwa ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen pro Jahr verantwortlich – darunter macht die Tierhaltung den Löwenanteil aus. Zugleich gibt es großes Potential, über einen anderen Umgang mit Land Treibhausgase nicht nur einzusparen, sondern Kohlenstoff in Bäumen und im Boden einzulagern und so der Atmosphäre Treibhausgase zu entziehen.

Auf diese Weise könnten die Bereiche Landnutzung und Landwirtschaft insgesamt von Netto-Treibhausgasspuckern zu Netto-Treibhausgasschluckern werden. Soweit, so bekannt. Bezüglich der Größenordnungen, in denen das möglich ist, und den konkreten dafür nötigen Maßnahmen gibt es allerdings einige verschiedene Untersuchungen, die teils auch zu unterschiedlichen Ergebnisse kommen. Die neue Studie gibt eine Übersicht über Möglichkeiten, Treibhausgase durch veränderte Landnutzung zu verringern und einzusparen, und setzt das in Bezug zum Pariser 1,5-Grad-Ziel.

Die die Wissenschaftler*innen stellen eine „Roadmap“, also einen groben Plan auf, wie Landnutzung und Ernährung bis 2050 sozial verträglich und nachhaltig verändert werden könnten. Die Einsparung, die sie dabei als machbar ansehen, beträgt 14 Gigatonnen CO2-Äquivalente bzw. 30 % der Treibhausgas-Reduktionen, die für das Pariser 1,5-Grad-Ziel insgesamt nötig sind. Etwa die Hälfte davon sind Einsparungen, die u.a. dadurch geleistet werden können, dass weniger Wald abgeholzt wird, weniger Wiederkäuer gehalten und weniger Nahrungsmittel weggeworfen werden. Die andere Hälfte sind Kohlenstoff-Einlagerungen, die möglich sind, wenn Wälder und Moore wiederhergestellt, der Boden verbessert und Biokohle hergestellt wird.

Die Roadmap sieht folgende Maßnahmen vor:

  • Emissionen von Landnutzungsänderungen reduzieren – insbesondere Abholzung und Abbrennen von Mooren. Das muss besonders in tropischen Ländern passieren, die dafür Unterstützung bekommen müssen.
  • Emissionen der Landwirtschaft reduzieren – insbesondere Verringerung der Methanproduktion durch Wiederkäuer und beim Güllemanagement. Das muss in entwickelten Ländern passieren und auch in Asien und Südamerika.
  • Ernährungsumstellung: Die Hälfte aller Menschen müssen eine pflanzenbasierte Ernährung (= höchstens 60 Gramm Fleisch pro Tag) übernehmen; die Umstellung ist insbesondere nötig in entwickelten und Schwellenländern. Bis 2030 müssten immerhin ein Fünftel der Bevölkerung in diesem Sinne fast-vegan werden.
  • Nahrungsmittelverschwendung reduzieren: Insgesamt muss das Wegwerfen von Nahrungsmitteln bis 2050 um die Hälfte reduziert werden.
  • Wiederherstellung von Wäldern, Mooren und Küstengebieten in vielen Regionen inklusive der EU.
  • Verbesserung der Waldwirtschaft und Agroforst in vielen Regionen inklusive der EU.
  • Kohlenstoffgehalt des Bodens in der Landwirtschaft erhöhen und Biokohle anwenden – dazu gehören Maßnahmen zur Verringerung von Erosion, Verzicht auf Pflügen, Anbau von Zwischenfrüchten und vieles mehr, auch in der EU.
  • auch ein Einsatz von BECCS (Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung) insbesondere in USA, Russland, China und Kanada ist vorgesehen.

Die Roadmap soll dabei nicht nur einen Weg zeigen, wie das Paris-Abkommen erfüllt werden kann, sondern dabei auch so gestaltet sein, dass andere internationale Ziele – wie die Ziele der nachhaltigen Entwicklung – besser erfüllt werden. Die verschiedenen Maßnahmen greifen dabei natürlich ineinander: Nur bei einem veränderten Konsum sind z.B. genug Flächen verfügbar, um Ökosysteme wiederherzustellen; nur wenn die Fleischproduktion nicht weiter wächst, kann Abholzung gestoppt werden.

Nach der Beurteilung der Wissenschaftler*innen sind die skizzierten Maßnahmen auch politisch realistisch und machbar, erfordern allerdings ganz andere Anstrengungen als bisher. Eine Verringerung der Abholzung ist zum Beispiel längst als wichtige Maßnahme anerkannt und in einigen Selbstverpflichtungen von Staaten enthalten; trotzdem nimmt sie global gesehen weiter zu. Außerdem müssten die tatsächlichen quantifizierten Reduktionspläne in dem Bereich drastisch erweitert werden.

Auf der Konsumseite, also insbesondere bei der Verringerung des Tierproduktkonsums, hat bisher noch kein Land entsprechende Maßnahmen in die Selbstverpflichtungen aufgenommen, kritisiert die Studie. Schuld hieran sind der Studie zufolge „begrenztes Bewusstsein“ gegenüber dem Problem und geringe politische Unterstützung, „zusätzlich zu der Schwierigkeit, Verhaltensveränderungen herbeizuführen.“ Außerdem müsse es mehr Forschung geben über Einlagerungstechnologien ebenso wie über Verhaltenswissenschaft, Fleischersatzprodukte und emissionsärmere Tierhaltungssysteme.

Die Studie: https://www.nature.com/articles/s41558-019-0591-9.epdf
Guardian-Artikel dazu: https://www.theguardian.com/environment/2019/oct/21/farming-could-be-absorber-of-carbon-by-2050-says-report