In Zahlen: Fleisch aus Weidehaltung für die Artenvielfalt

Ein Argument dafür, die Nutztierhaltung nicht ganz abzuschaffen, lautet: Wir brauchen Weidehaltung für die Artenvielfalt. Extensive Weiden und „wilde Weiden“ schüfen für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die hierzulande bedroht sind, wichtige Lebensräume. Ich will diese These hier gar nicht diskutieren (ich denke, dass es die vorteilhafte Wirkung für die Artenvielfalt unter bestimmten Umständen durchaus gibt, aber daraus folgt mMn nicht, dass Weidewirtschaft die beste Option ist, zumal wenn sie der Erzeugung von Fleisch oder Milch dienen soll. Tierethische Argumente sind da natürlich auch sehr relevant). Stattdessen will ich darauf hinweisen, wie drastisch die Veränderungen in den Ernährungsweisen sein müssen, wenn man die Idee mit der Artenschutz-Weidehaltung ernst meint. Denn: Um wie viel Fleisch geht es konkret?

Es ist tatsächlich ziemlich schwer, dafür überhaupt Zahlen zu finden. Also die Frage ist: Wie viel Fleisch pro Jahr und Hektar kann man erzeugen?

Zahlen, die ich gefunden habe, stammen von dem Betrieb „Bunde Wischen“ in Schleswig-Holstein, der von vielen Weide-Fans gern als Positivbeispiel und Modellbetrieb angeführt wird. Die produzieren laut eigenen Angaben auf 1.500 Hektar ca. 55 Tonnen Fleisch pro Jahr, das sind also 37 Kilo pro Hektar. Im Vergleich mit anderen Rinderhaltungsformen ist das sehr wenig – die Naturschutzvorteile gibt es nämlich nur bei niedrigem Tierbesatz, also wenig Tieren pro Hektar, und bei dem Betrieb werden die männlichen Tiere nicht wie sonst nach 1,5 Jahren, sondern erst mit 3 bis 4 Jahren geschlachtet.

Wenn man nun alle Wiesen und Weiden in Deutschland so bewirtschaften würde, wie viel Fleisch könnte man so produzieren? Es gibt 4,7 Millionen Hektar Grünland in Deutschland, das macht 164.500 Tonnen Rindfleisch. Aufgeteilt auf 83 Millionen Einwohner*innen ergibt sich: Pro Person stehen 2 Kilo Fleisch pro Jahr zur Verfügung. Also ein kleines Fleischgericht alle sechs Wochen. Ansonsten pflanzlich.

Das heißt: Wer es ernst meint damit, dass Tierprodukte nur noch mit naturschutzfreundlicher Weidehaltung erzeugt werden sollten, plädiert praktisch für eine Ernährungsweise, die fast komplett pflanzlich ist.

Oder sehen die Zahlen bei anderen Betrieben, in anderen Regionen ganz anders aus? Tatsächlich sind landwirtschaftliche Erträge ja typischerweise stark von den Böden, Wetterbedingungen etc. abhängig. Aber sollten artenreiche Wiesen nicht generell mager sein? Wenn ihr Zahlen habt, die höhere „Erträge“ ergeben, gern immer her damit. Schreibt mir an kontakt -ät – friederikeschmitz.de

Und ließen sich die Mengen nicht erhöhen? Wenn die Weidehaltung wirklich so sinnvoll wäre, würde es doch auch Sinn machen, Ackerflächen in Weideflächen zu verwandeln? Es gibt 11,6 Millionen Hektar Ackerland in Deutschland. Wenn wir keine Futtermittel vom Acker produzieren müssen, brauchen wir nicht so viel. Möglicherweisen könnten wir die Weideflächen verdoppeln und entsprechend das Ackerland verringern. Dann hätten wir also 4 Kilo Fleisch pro Person und Jahr – die Ernährungsweise wäre immer noch fast komplett pflanzlich. Man kann womöglich auch die Rinder früher töten und so die Gesamtmenge auf 5 oder 6 Kilo erhöhen. Aber die Dimensionen ändern sich kaum: Bei 6 Kilo hätten wir Ernährungsweisen, bei denen 13 Tage pflanzlich gegessen wird, dann an einem Tag ein Fleischgericht und den Rest des Tages auch pflanzlich. Es geht also nicht um den Sonntagsbraten, sondern um den Feiertagsbraten oder den Monatsbraten.

Wer von denen, die für Weidehaltung zum Naturschutz sind, vertritt das wirklich? Warum wird so viel über das vermeintlich so ökologische Weidefleisch geredet, anstatt über die pflanzlichen Gerichte, die wir mindestens an 29 bis 30 Tagen im Monat essen sollten? Und warum wird so wenig kritisiert, wie schädlich die aktuell üblichen Tierhaltungsformen sind, eben auch die Weidehaltung – bei der die Weiden viel gedüngt werden und praktisch Grasmonokulturen sind? Da liegt doch der Verdacht nahe, dass es mindestens teilweise mehr um Greenwashing des Fleischkonsums geht, als um echte Naturschutzanliegen.

Wie gesagt, habe ich einige wichtige Fragen hier ganz außer acht gelassen. Zur Klimawirkung der Weidehaltung habe ich hier etwas geschrieben. Aus tierethischer Sicht ist für mich klar, dass es falsch ist, Tiere zu halten, um sie zu schlachten. Dazu habe ich u.a. in diesem Buch einige Argument vorgebracht.