Warum für die Schließung aller Schlachthäuser?

Foto: Klaus Petrus

Foto: Klaus Petrus

Am 12. Juli 2014 war ich in Bern auf der Demo zur Schließung aller Schlachthäuser dabei und durfte einen Redebeitrag halten, aus dem ich jetzt einen Text gebastelt habe.

Schlachthäuser und “Nutztier”-Haltung
Ich habe mich sehr gefreut, eingeladen worden zu sein, u.a. weil mir der Titel der Demonstration besonders gut gefällt: Für die Schließung aller Schlachthäuser. Schlachthäuser sind einerseits ganz offensichtlich ein Ort brutaler Gewalt gegen Tiere. Sie werden auch öffentlich als solche wahrgenommen. Kaum jemand findet Schlachthäuser gut; die meisten Leute denken dabei an Leid, Angst, Stress, Blut und Tod. Schlachthäuser haben also schon ein ziemlich schlechtes Image.

Gleichzeitig ist es aber so, und deshalb finde ich den Titel so gelungen, dass Schlachthäuser nicht isoliert zu sehen sind. Schlachthäuser sind stattdessen ein wesentliches und notwendiges Element der gesamten „Nutztier“-Haltung. Alle so genannten Nutztiere werden ja gewaltsam getötet, und zwar nach ökonomischen Kriterien, weil sie letztlich nichts anderes als Waren sind. Im öffentlichen Diskurs wird viel über Haltungsbedingungen geredet. Die sind natürlich meistens auch übel und das Gerede von „Tierwohl“ und „artgerecht“ ist meist zynisch und daneben. Aber interessant ist, dass in dem ganzen Diskurs um Tierwohl etc. selten darüber gesprochen wird, dass auch Tiere aus den kleinsten, besten Nutzbetrieben geschlachtet werden. Meist in einem Alter, in dem sie noch einen Großteil ihres Lebens vor sich hätten. Jedes Mastschwein, auch aus dem besten Biofreilandhof, wird gewaltsam getötet und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem sich sein Körper sich am besten als Fleisch verkaufen lässt. Jede Kuh wird getötet, sobald sie nicht mehr rentabel ist, jede “Legehenne”, wenn ihre Legeleistung nachlässt, usw.

Ohne Schlachthäuser ist eine „Nutztier“-Haltung in der Form, wie wir sie heute haben, nicht denkbar. Ich glaube sogar, dass ohne Schlachthäuser so gut wie gar keine „Nutztier“-Haltung denkbar ist. Letztlich heißt das, dass die Forderung nach einer Schließung aller Schlachthäuser so gut wie identisch mit der Forderung nach einem Ende der „Nutztier“-Haltung ist – und das ist eine zentrale Forderung der Tierbefreiungsbewegung. Der Titel der Demo fokussiert also auf eine bestimmte, offensichtliche Form der Gewalt gegen Tiere und hat gleichzeitig eine viel weitreichendere Implikation. Deshalb gefällt er mir so gut.

Die genannte Position, die Tierrechts- oder Tierbefreiungsposition, speist sich aus verschiedenen Motiven. Das möchte ich noch etwas erläutern.

Vernunft und Gefühl
Der erste Punkt ist Folgender. Ich glaube, dass die Tierrechts- oder Tierbefreiungsposition, die ja in den öffentlichen Debatten noch immer eine Randrolle spielt und häufig für ganz abwegig gehalten wird, höchst vernünftig und gut begründet ist. Sie stützt sich auf hervorragende Argumente. Die haben z.B. mit Konsistenz zu tun: Warum sollte es ok sein, Tiere zu den trivialsten Zwecken zu quälen und zu töten, wenn wir das doch im Falle von Menschen ablehnen? Schließlich lassen sich keine moralisch relevanten Unterschiede zwischen uns Menschen und vielen anderen Tieren feststellen. Unsere wichtigste Gemeinsamkeit ist die Empfindungsfähigkeit. Empfindungsfähige Individuen verdienen ethische Rücksicht und ihre Interessen – auch ihr Interesse am Weiterleben – müssen ernstgenommen werden.

Ich finde es total wichtig, derlei Argumente parat zu haben und auch immer wieder zu prüfen und zu diskutieren. Allerdings dürfen wir darüber nicht vergessen, und das ist der zweite Punkt, dass es auch eine starke Motivation für die Tierbefreiungsposition, für den Veganismus und für unseren Aktivismus gibt, für die wir solche Argumente gar nicht brauchen. Ich denke dabei an Gefühle und Einstellungen gegenüber Tieren, an direkte Reaktionen, zu denen wir alle in Anbetracht bestimmter Umgangsweisen mit Tieren neigen. Zum Beispiel Mitleid. Mitleid oder Mitgefühl mit den Tieren, die zum Schlachthof transportiert werden oder in den Schlachthäusern auf ihren Tod warten. Ich denke auch an Solidarität. Solidarität mit den Opfern von Unterdrückung und Gewalt. Eine weitere direkte, emotionale Reaktion ist Empörung. Die Empörung über die Arroganz der Macht, die Hilflose in gigantischer Zahl für ihre Zwecke leiden macht und schließlich umbringt. Ich glaube, es gibt auch so etwas wie ein direktes Empfinden für die Ungerechtigkeit, die in den Mastanlagen und Schlachthöfen tagtäglich stattfindet.

TierethikerInnen neigen manchmal dazu, diese Motivationen gering zu schätzen. Auch im Alltag und innerhalb unserer Bewegung gibt es so eine Tendenz, derlei Gefühle und Einstellungen z.B. als „sentimental“ abzutun. Das finde ich total problematisch. Denn diese Gefühle, Einstellungen und Reaktionen sind außerordentlich wichtig für den Widerstand gegen die Ausbeutung der Tiere. Sie sind eine wichtige Motivationsquelle. Außerdem sind sie gar nicht in Entgegensetzung zu den mehr rationalen Argumenten zu sehen, sondern im Zusammenhang. Die Gefühle, Einstellungen und Reaktionen sind nämlich nicht irrational, sondern genau angemessen: Wir haben Mitleid, weil es schlimm ist, was den Tieren passiert. Warum sollten wir kein Mitleid haben? Wäre nicht umgekehrt die Welt eine bessere, wenn mehr Menschen Mitleid hätten mit denjenigen, denen Leid widerfährt? Wir sind solidarisch, weil die Opfer von Unterdrückung und Gewalt unsere Unterstützung brauchen. Und wäre nicht die Welt eine bessere, wenn mehr Menschen solidarisch mit den Unterdrückten wären? Wir sind empört, dass empfindende Individuen zu Waren gemacht werden. Und wir empfinden eine Ungerechtigkeit, weil sie tatsächlich besteht – weil sich der gegenwärtige Umgang mit Tieren nicht rechtfertigen lässt. Und wäre nicht die Welt eine bessere, wenn mehr Menschen sich über das tägliche Unrecht, das überall geschieht, empören und dagegen handeln würden?

Die Tierbefreiungsposition speist sich also aus beiden Quellen, Vernunft und Gefühl, die man außerdem nicht im Gegensatz zueinander sehen sollte. Damit komme ich zurück zum Titel der Demo. Auch der lässt sich in diesen beiden Perpektiven betrachten: Schlachthäuser gehören geschlossen, weil es keine ethische Rechtfertigung für das Töten von Tieren im Rahmen der Nahrungsmittelproduktion gibt. Und sie gehören geschlossen, weil wir alle, wenn wir wirklich hinschauen, unmittelbar abgestoßen und entsetzt sind darüber, was in den Schlachthäusern geschieht.

Auch wenn die Forderung nach der Schließung aller Schlachthäuser zur Zeit nur von einer Minderheit von Menschen vertreten wird – die Motive sind eigentlich dazu geeignet, weithin geteilt zu werden: Die ethischen Argumente sind klar und überzeugend, und alle Menschen sollten ja rationaler Argumentation zugänglich sein. Aber auch die Gefühle, Einstellungen und direkten Reaktionen sind sehr weit verbreitet – viele Menschen haben Mitleid mit Tieren, denen Leid geschieht, viele fühlen Solidarität und Empörung in Anbetracht der stattfindenden Ungerechtigkeiten. Jetzt muss sich das nur noch bei mehr Menschen auch in Handeln übersetzen. Demonstrationen wie die in Bern dienen u.a. dazu, genau das einzufordern.

3 Replies to “Warum für die Schließung aller Schlachthäuser?”

  1. liebe friederieke
    ich finde den text super, du hast gut argumentiert.
    einzig die passagewo du sagst: …der mensch…und die anderen tiere. will mir nicht gefallen. weil ich der meinung bin, dass der mensch kein tier ist. kennst du die bücher von armin risi? kann ich wärmstens empfehlen.
    vielen dank und herzliche grüsse roger

  2. Hallo
    Wer gibt uns Menschen das RECHT,ausser wir selber TIERE auf grausame ART UND WEISE zu SCHLACHTEN?

    Tiere haben Gefühle,Sie Leiden Angst wie wir,leider können Sie nicht sprechen,jedoch wer sich Bilder ansieht,von der Schlachtung der wird zum Vegetarier,Menschen brauchen kein FLEISCH.

    HÖRT AUF DAMIT EUCH DAS RECHT ZU NEHMEN so WERTVOLLE LEBEWESEN EINFACH ab zuschlachten,damit nicht genug SIE WEDEN auch noch gequelt auf dem WEG da hin.

    ICH BIN FÜR DAS STOPPPPPPPPPPPPEN DER SCHLACHTHÖFE

    UND KÄMPFE FÜR DAS RECHT DER TIERE
    denn jeder Mensch,der nur ein bischen Gefühl im Leib hat,der fühlt nur eim schauen dieser Bilder,schon großen SCHMERZ und wir schauen NUR……..DIE TIERE FÜHLEN ES…..

  3. Hallo

    Ich finde den Text sehr gelungen.

    Gefühle würde ich für solche großen Veränderungen sogar noch etwas wichtiger einschätzen, als rationale Argumente, gleichwohl diese auch sehr wichtig sind. Meistens handeln wir ja nicht so oder so, weil wir zuvor Konsistenzüberlebungen angestellt haben, außer diese Überlegungen sind zu gefestigten Grundhaltungen geworden. Sozusagen handeln wir meist nicht wegen Gründen, sondern aufgrund von Beweggründen, sprich Affekten, Gefühlen.

    Ich gebe ein kurzes Beispiel. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich in einer Kleingruppe über Veganismus diskutiert. Das ging den ganzen Abend lang und mir schien es so, als wären alle bemüht wirklich darüber nachzudenken und sich nicht von vornherein, zwingend und unabänderlich auf einen Standpunkt festzulegen. Letztendlich kamen wir alle zu dem Konsens, dass es wohl nicht gerechtfertigt werden kann Fleisch und tierische Produkte zu essen. Den nächsten Tag aßen wir vegan.
    Eine Woche später gehe ich wieder dorthin und alle essen Fleisch und tierische Produkte.

    So hat bei aller Rationalität letztendlich doch die Gewohnheit und der Geschmack gesiegt. Ich könnte auch noch weitere Beispiele nennen.

    Für weitaus effizienter halte ich es, wenn versucht wird möglichst das Mitleid der Menschen für die Tiere zu erregen. Und das schafft man nicht am besten, indem man nur darüber spricht, sondern indem man visuell zeigt, was in Schlachthöfen passiert und insofern möglich realer Kontakt zu Nutztieren hergestellt wird. Natürlich wissen viele Leute, dass das Schnitzel auf ihrem Teller ein mal ein empfindungsfähiges Wesen war. Ich denke aber durchaus, dass sich die Beziehung dieser Leute zu diesem Fleischklumpen sehr stark verändern wird, sobald sie das getötete Tiere real erlebt, anstatt es sich nur abstrakt vorgestellt zu haben.

    (Vermutlich ist gerade deswegen die Massentierhaltung auch so intransparent. Wenn das ganze Leid gesehen werden würde, würden wohl weit mehr Menschen sich gegen Massentierhaltung und Schlachthäuser einsetzen.)

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